KI ist für rund 60 % aller deutschen Unternehmen noch immer kein Thema (Quelle: Heise/Statista). Häufiges Argument: zu wenig Daten. Moderne Small Data AI kann jedoch auch ohne Big Data tolle Ergebnisse liefern. Das macht sie für das Marketing so interessant.
Im mittelständisch geprägten B2B Business ist die Situation häufig eine andere. Hier sind es gleich drei Hürden, welche den Verantwortlichen im Marketing Kopfzerbrechen bereiten:
- Naturgemäß weniger strukturierte Bewegungs- und Transaktionsdaten zu Kunden als z. B. im B2C E-Commerce
- Fehlen eines zentralen Data Lakes für alle Kundendaten, also z. B. einer Customer Data Platform (CDP)
- Strenge Richtlinien bei der Speicherung und Nutzung von Daten anonymer Website-Besucher
So weit so schlecht! Wie lassen sich in diesem engen Rahmen moderne KI-Technologien einsetzen, um Leadgenerierung und Account Based Marketing auf ein neues Level anzuheben? Vier Lösungsansätze haben sich etabliert.
Lösungsansätze
3rd Party Data
Vor allem den USA ist die Kooperation mit Daten-Providern populär. Bei ihnen bekommt man beinahe alles, was das Marketer-Herz begehrt. Hierzu gehören Informationen über Märkte und Unternehmen bis hin zu Erkenntnissen über vermeintlich kaufbereite Kunden. Das klingt erst mal toll, jedoch setzt das EU-Datenschutzrecht dem Ganzen sehr enge Grenzen. Zumal selten direkt auf Rohdaten zugegriffen werden kann.
Synthetische Daten
Relativ neu ist der Einsatz synthetischer Daten. Diese werden von speziellen Dienstleistern bereitgestellt und können dann zum Antrainieren eigener KI-Modelle genutzt werden. Das ist vor allem für die Robotik und das autonome Fahren ein großes Thema. Dazu werden zum Beispiel reale Objekte abgefilmt. An der TU Darmstadt ging man noch einen Schritt weiter und fütterte ein Modell mit Szenen aus dem Videospiel “Grand Theft Auto”.
Transfer Learning
Manchmal lässt sich ein KI-Modell mit Daten aus einem artverwandten Bereich trainieren. Wenn zum Beispiel Transaktionsdaten zu niederländischen Kunden vorliegen, lassen sich diese ggf. zur Erstellung eines Modells für belgische Kunden einsetzen. Transfer Learning funktioniert natürlich nur dann, wenn man überhaupt über entsprechende Daten verfügt.
Small Data AI
Ein weiterer Trend findet sich mit begrenzten Datensätzen ab und macht einfach das Beste daraus. Ein Ansatz nennt sich Few-Shot Learning und wir alle kennen die Technik aus der Entsperrfunktion unserer Smartphones. Hier reichen wenige Fotos (oder Fingerabdrücke) und schon funktioniert die Entsperrung. Nachteil: Sie hat eine Zuverlässigkeit von evtl. nur 80% und die Entsperrung des Handys klappt deshalb nicht immer auf Anhieb. (Und auch nur, wenn wir keine Handschuhe bzw. Atemschutzmaske tragen.)
Anders als z. B. beim autonomen Fahren sind präzise Vorhersagen oft gar nicht notwendig – zum Beispiel im Marketing. Deshalb ist Few-Shot Learning für die B2B-Kundengewinnung gut geeignet. Darüber kann Expertenwissen dem KI-Modell von vornherein gewissermaßen “eingeimpft” werden, weil Input-Daten relativ klar definiert sind.
Erleichtert KI die B2B-Kundengewinnung?
Content Engagement
Man kann sich drehen und wenden, wie man will: Solange die Intention anonymer Website-Besucher im Dunkeln liegt, lassen sich Inhalte kaum personalisieren. Aussagekräftige Daten lassen sich nur unter Zuhilfenahme von Content generieren. Die meisten Daten liefert ein gut frequentierter Corporate Blog. Sofern ein Cookie Consent vorliegt, lassen sich auf Basis des Klickverhaltens von Besuchern die Inhalte personalisieren. Hier bietet sich der Einsatz eines KI-Modells für Few-Shot Learning an, denn Personalisierung muss keinesfalls von Anfang an zu 100% korrekt funktionieren.
Lead Capturing
Eine hohe Website-Stickiness ist schön und gut. Aber das Ziel muss sein, dass Besucher ihre Kontaktdaten hinterlassen. Manche setzen auf Pop-ups, andere auf Chatbots oder interaktive Elemente. KI-Modelle können helfen, den passendsten Lead-Magneten zu präsentieren und so Opt-ins zu generieren. Auch hier kommt es nicht auf eine hundertprozentige Treffsicherheit an. Wenn sich die Konversionsrate kurzfristig von 1,9 auf 2,3% verbessern kann, ist sehr viel gewonnen.
Lead Scoring
Das Bewerten frisch eingegangener Leads ist oft zeitraubend. Deshalb ergreifen viele Marketer die Flucht nach vorne und fragen direkt im Kontaktformular nach dem Job-Titel und dem Budget. So lässt sich die Spreu vom Weizen trennen – oder auch nicht.
Andere nutzen ihre Schnittstelle zu einem Data Provider, der in sekundenschnelle Firmographics liefert. Aber reicht das aus? Tatsächlich ist Lead Scoring auf Basis gängiger Verfahren wie z.B. der BANT-Methodik kaum möglich, weil einfach wichtige Daten fehlen. Die Fehlerquote von KI-Modellen auf Basis von Small Data AI wäre zu hoch.
Lead Nurturing
Über generierte Leads liegen in der Regel deutlich mehr Daten vor als über anonyme Website-Besucher. Umso einfacher ist es, sie zu “engagen”. Voraussetzung, man verfügt über ausreichend relevanten Content. Großer Vorteil von erfassten Leads: Der Versand personalisierter E-Mails ist möglich, sofern ein entsprechendes Opt-in vorliegt. Dazu sind KI-Modelle für Small Data ausreichend leistungsfähig, sofern diesem vordefinierte Buyer Personas zugrunde gelegt werden.
Hier noch ein paar Tipps:
- Nutze ein CDP um First-Party Data zu anonymen Zielkunden zusammenzuführen.
- Konzentriere Dich zunächst auf ein überschaubares Problem, dessen Lösung einen Wachstumsschub auslösen könnten. Das eröffnet viel neues Potenzial.
- Achte bei der Problemlösung darauf, dass aus ihr keine unsichtbaren neuen Probleme oder Seiteneffekte erwachsen können.
- Bestimme vorab die wichtigsten KPIs, um den Erfolg und den Lernfortschritt der eingesetzten Lösung bewerten zu können.
Fazit
Small Data AI liefert gute Ansätze für das Marketing. Zwar ist die Fehlerrate in der Anfangsphase relativ hoch, aber bei der B2B-Kundengewinnung spielt das (anders als beim autonomen Fahren) keine große Rolle.
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